Fast jeder von uns hat in seiner Teenager-Zeit rebelliert und die Autoritäten seines Lebens infrage gestellt. Das ist ein wichtiger Bestandteil unserer persönlichen Entwicklung. In dieser Zeit entwickeln wir unsere eigene Identität, unsere eigenen Vorstellungen von richtig und falsch und lösen uns aus dem Kokon der Familie.
Und wer von uns durfte diese Rebellion wirklich ausleben? Bei vielen wurde dieser natürliche und wichtige Prozess des Aufbäumens unterdrückt. Auch in meinem Fall durfte diese Rebellion nicht zu Hause stattfinden. Ich lebte sie in der Schule aus. Sobald sich aber unsere Wohnungstür schloss, musste ich dieses Gefühl, diese Wut und Ohnmacht, in meinen inneren Keller sperren und „das Spiel“ spielen.
Ich bin überzeugt, dass viele unserer heutigen Konflikte auf diese Ursache zurückzuführen sind – auf diese Erfahrungen in unserer Teenager-Zeit. Unser heutiges Gegenüber ist in dem Moment nicht mehr unser Partner oder unsere Freundin, sondern steht stellvertretend für unseren Vater oder unsere Mutter. „Damals konnte ich mich nicht wehren, damals durfte ich meine Stimme nicht erheben, dafür vernichte ich dich heute, bevor du zwei Silben sagen kannst.“
Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen kleinen Moment. Ich nenne diesen Moment: „Ich höre die Türen meines Waffenschrankes quietschen.“ Wir können uns darin trainieren, diesen Moment auszudehnen und nicht dem Reiz der Reaktion zu verfallen. Indem wir z. B. schlicht aus dem Raum gehen, kurz durchatmen und uns erinnern: Suche ich die Bestätigung von meinem Gegenüber – wie damals von meinen Eltern – oder stehe ich in mir und meiner Wahrheit? Wenn ich erwachsen in mir stehe, gibt es nichts, das ich verteidigen müsste.
Rebellion muss heute nicht mehr unsere (innere) Zerstörung bedeuten. Heute kann sie unser ureigener Weg werden, um in Gelassenheit und Ruhe zu dem stehen zu können, wer wir sind oder woran wir glauben. Keine Rechtfertigungen, kein Kampf, keine Erklärungen. Wir sind erwachsen. Wer es verstehen möchte, wird es ohne Worte verstehen. Wer es nicht verstehen möchte, wird es auch mit der besten Verteidigung abwerten.
Hinter jedem „Nein“ kann sich ein noch größeres „Ja“ zu mir selbst und zu meinem Leben entwickeln. Wenn ich weiß, wie ich es nicht haben will, kann ich für das einstehen, was ich mir wünsche.
Erlaubst du dir deine innere Rebellion, die dich zwar ein Stück weit von den anderen trennt, dir damit aber auch deine ureigene Identität schenkt? Sie gibt dir diesen besonderen Charakterzug, den nur du so hast, wie du ihn hast. Unsere Rebellion ist das, was uns einzigartig macht.
Bewahren wir sie uns.